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Prozession "Virgen del Carmen" in Puerto de la Cruz

Die Schutzpatronin sticht in See

Der Höhepunkt der Prozession: Das Boot mit der  Jungfrau legt ab
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Der Höhepunkt der Prozession: Das Boot mit der Jungfrau legt ab
08.07.2009 - Teneriffa - Die Prozession der "Virgen del Carmen" ist das wichtigste Fest in Puerto de la Cruz. Jedes Jahr versammeln sich zehntausende Gläubige und Schaulustige, um den eindrucksvollen Umzug zu aus nächster Nähe zu verfolgen. Für die Teilnehmer ist es eine Mischung aus religiöser Andacht, Familienfeier und Badespass. In diesem Jahr findet der Umzug der Jungfrau am 14. Juli statt.

Die Leinen sind los!
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Die Leinen sind los!
Ab mittags geht im Zentrum von Puerto de la Cruz nichts mehr. Nirgends rund um die “Casa de la Aduana” am kleinen Fischerhafen ist noch Platz. 
 
Pärchen sitzen dicht gedrängt auf der Kaimauer vor dem bekanntesten historischen Gebäude des Ortes, in dem ein Museum und das Tourismusbüro untergebracht sind.
 
Es ist heiss. Kinder mit Wasserpistolen, und Jugendliche mit futuristischen Gewehren aus Plastik bespritzen sich gegenseitig und die vorbeifalaniertenden Passanten.
 
Mädchen im Bikini und Jungs mit komplett tätowiertem Oberkörper rennen auf und ab, um ein freies Fleckchen auf dem Kopfsteinpflaster zu ergattern.
 
Auch das Gelände rund um den Bootsanleger mit dem Hebekran vor dem Innungshaus der Fischer auf der gegenüberliegenden Seite ist völlig überlaufen.

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"Virgen del Carmen": Odysee im Hafenbecken
Sogar auf dem langen Wehr, das den kleinen Hafen vor den Flutwellen schützt, drängen sich seit dem frühen Nachmittag mit mehrere tausend Menschen.
 
Auf dem kleinen Strand, auf dem sonst Fischerboote liegen, sonnen sich Frauen und Männer auf eng aneinanderliegenden Badetüchern.
 
In der sanften Brandung vor dem schwarzen Sandstrand tollen Dutzende kleiner Jungs und Mädchen im flachen Wasser. Bratengeruch ist in der Luft. Mahlzeiten werden zubereitetet, deren Zutaten in riesigen Kühltaschen herbeigeschleppt wurden.
 
Schutzpatronin der Seeleute und Fischer 
 
Im kleinen  Hafenbecken, wo sonst gerade mal eine halbe Handvoll Boote träge vor sich hin dümpeln, drängen sich heute Motorboote, Ruderboote, Schlauchboote. Alle sind mit Passagieren überladen, die gespannt dem Höhepunkt des Feiertages entgegenfiebern.
 
Die Fiesta der “Virgen del Carmen” ist das wichtigste Fest in Puerto de la Cruz. Jedes Jahr Mitte Juli wird es zelebriert. Zahllose Gläubige und Schaulustige strömen an diesem Tag in das Hafenviertel, um der heiligen Jungfrau bei ihrer Prozession zu Lande und zu Wasser beizuwohnen. 

Hektik und Gedränge rund um die Statue
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Hektik und Gedränge rund um die Statue
Es ist nicht der einzige aber der bedeutendste und wichtigste Umzug auf Teneriffa zu Ehren der Schutzheiligen der Seeleute und Fischer, die gleichzeitig auch als Schutzpatronin der spanischen Marine dient. Sie ist auf der ganzen iberischen Halbinsel bekannt.  
 
Die “Virgen del Carmen” ist eine von vielen Formen, der Mutter Gottes zu huldigen. Die wichtigsten religiösen Feste auf den Kanaren drehen sich um die Jungfrau Maria. Jedes Mal trägt sie einen anderen Beinamen.  
 
Die Bezeichnung “del Carmen” etwa  geht auf ein Gebirge bei Haifa im heutigen Israel zurück und leitet sich von “Karmel” oder “Al-Karem” ab, Begriffe die im Arabischen “Garten” und im Althebräischen “Weinberg Gottes”  bedeuten, ab. 
 
In diesem Gebirge, das auch als strategisch bedeutender Punkt in die Analen der Geschichte des Ersten Weltkriegs einging, gründete sich vor rund achthundert Jahre zu Ehren des Propheten Elias der Orden der Karmeliter. 
 
Aus den Riten dieser Mönche, die zuvor eine Existenz als Einsiedler oder Kreuzritter fristeten, entsprang die Verehrung der “Virgen del Carmelo”, die auch “Nuestra Señora del Carmen” genannt wird.
 
Jedes Jahr folgen tausende Gläubige, in Puerto de la Cruz, aber auch anderswo, dem Ruf der Jungfrau und warten stundenlang in praller Sonne, um den Umzug des Heiligenbildes aus nächster Nähe zu erleben. 
 
Der Vorbote: San Telmo
 
Es ist ein festes Ritual. Stundenlang passiert nicht. Dann, gegen halb sieben wird die bisher träge Menschenmenge erstmals unruhig. 
 
Aus Richtung des Rathauses schreitet eine Gruppe Männer in weissem Ornat die Calle Santo Domingo hinab. Aber das Heiligenbild, das der Priester und die Messdiener mit den langen Kerzenstäben in ihrer Mitte mit sich führen, ist nicht die sehnsüchtig erwartete Jungfrau, sondern nur ihr Vorbote: ein Mönch mit brauner Kutte und Tonsur.
 
Es handelt sich um San Telmo, gleichfalls Schutzheiliger der maritimen Berufsgruppen, bei dem nicht ganz klar ist auf welche historisch verbürgte Persönlichkeit er sich eigentlich bezieht. 
 
Zur Auswahl stehen der Mönch und Priester Pedro González Telmo, seines Zeichens Beichtvater von König Ferdinand III. von Kastillien und Erasmus von Fornia, auch als “San Elmo” bekannt, ein Märtyer der diokletianischen Christenverfolgungen im dritten Jahrhundert nach Christi Geburt. 
 
Ersterem werden Wunder zu Gunsten Seeleuten und Fischern zugeschrieben, auf den zweiten geht das sogenannte “Sankt Elmo”-Feuer zurück, die weiss aufblitzenden Lichter an den Masten von Segelschiffen während eines Gewitters;  ein elektrostatisches Phänomen, das bereits die Seefahrer der Antike stark beeindruckte. 

Die Träger leisten Schwerstarbeit
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Die Träger leisten Schwerstarbeit
Doch die Klärung derartiger religionsspezifischer Fragen interessiert in diesem Moment in Puerto de la Cruz keinen Menschen. Bei der Ankunft von Sankt Telmo ist Bewegung in die bisher vor sich hin dösende Menschenmasse gekommen. 
 
Von überall her erschallt der Ruf  “Sankt Telmo”. Auf den Balkons rund um den Hafen stehen plötzlich Schaulustige. 
 
In den Strassen drängen sich die Menschen immer dichter zusammen, so dass sich die Träger des Heiligenbildes durch den Pulk geradezu quetschen müssen. Schritt für Schritt tasten sie sich voran, hinein in den freien Raum, den ihnen die als Vorhut marschierenden Zivilschutzkräfte geschaffen haben. 
 
Nach einer kurzen Huldigung am Altar vor dem Café Cayaya in der äussserten Ecke des Hafens wird San Telmo zum Wasser hinuntergebracht und auf einem Boot verladen. 
 
Die Jungfrau schwebt durchs Menschenmeer

Doch das war erst der Auftakt. Die Stimmung  der Schaulustigen steigt weiter. 

Gedränge auf dem Wasser und an Land
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Gedränge auf dem Wasser und an Land
Sie  ist nahzu am Brodeln, als  aus Richtung der Calle Santo Domingo die eigentliche Attraktion des Abends kommt: die Statue der “Virgen del Carmen”, der Heilige wegen der die mehr als 30.000 Gläubigen und Schaulustigen in den klerinen Fischerort an unteren Ende des Tals von La Orotava geströmt sind. 
 
Die Strassen rund um den Hafen haben sich in ein sprichwörtliches Menschenmeer verwandelt, das sich durch den wechselnden Druck aus verschiedenen Richtungen wellenförmig auf und ab bewegt.
 
Wie eine Brandung strömen Körpermassen von allen Seiten auf die das Heiligenbild und seine zu.
 
Frauen kreischen.
 
Hände werden ausgestreckt.
 
Männer mit nacktem Oberkörper und Bierdose in der anderen Hand versuchen, das Objekt der Verehrung zu berühren oder wenigstens ihr Gewand zu streifen.
 
Es ist schwer in diesem taumelnden Gewühl das Gleichgewicht zuhalten, da einen die Menge mit sich zieht.

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"Virgen del Carmen": Badespass für Kinder und Erwachsene
An den Gesichtern der Trägern der “Virgen del Carmen” ist abzulesen, welche Anstrengung es kostet, die gut zwei Meter hohe Statur im Gleichgewicht zu halten.
 
Die durchtrainierten Sportler müssen all ihre Kraft aufwenden, damit die Heilige nicht umkippt und ihre Verehrer mit ihrem Gewicht unter sich begräbt.
 
Schliesslich erreicht auch die “Virgen del Carmen” den kleinen Altar vor dem Café Cayaya.
 
Wie auf einen Schlag verharrt die lärmende Menschenmasse in völliger Stille, als der bekannte Sänger Chago Melïan auf einem Balkon oberhalb des Altars das “Ave Maria” anstimmt.

Nach dieser Zermonie wird auch die “Virgen del Carmen” zum Strand gebracht. Das geht flüssiger als bei San Telmo, denn die Zivilschutzkräfte haben die besinnlichen Sangesminuten zur Bildung eines Kordons genutzt und dadurch eine breite Gasse zum Wasser freigeräumt.
 
Nachdem das Heiligenbild auf ein Boot  verladen worden ist, kehrt an Land Ruhe ein.
 
Auf und im Wasser hingegen geht es erst richtig los. Schwimmer hangeln sich an das Schiff und versuchen über Bord zu klettern.
 
Unzählige Paddel- und Schlauchboote kreisen es ein. Der Steuermann hat Mühe einen Kurs durch das chaotische Gewirr der kleinen Wasserfahrzeuge zu finden.
 
Viele Male kreuzt er im Hafenbecken auf und ab, um die Hafenausfahrt zu erreichen.
 
Von dort führt der Weg der “Virgen del Carmen” in Richtung der Küste des Nachbarortes Los Realejos, um anschliessend wieder an ihren Platz in der Kirche Nuestra Señora de la Peña de Francia zurïrckgebracht zu werden.
 
Der Beitrag und die Fotos sind erstmals in der Juli-Ausgabe des Jahres 2008 der spanischen Zeitschrift “EL GUANCHE” erschienen.