Teneriffa      La Palma      La Gomera      El Hierro


Roque de los Muchachos

Dem Himmel ganz nah

Felsengruppe auf der  Kuppe des Roque de los Muchachos
© tfpelmarw
Vergrößern
Felsengruppe auf der Kuppe des Roque de los Muchachos
13.05.2006 - La Palma - Auf den Kanarischen Inseln leben die Menschen in Tuchfühlung mit dem Universum. Nicht nur auf Teneriffa, auch auf der Nachbarinsel La Palma gibt es ein Observatorium. Der Weg dorthin ist allerdings sehr mühsam, denn die „Isla Bonita“ ist erheblich steiler als die „Insel des Ewigen Frühlings“. Von der Küste kommend geht es zwölf Kilometer auf einer engen Serpentinenstrasse bergauf. Fast alle hundert Meter muss in den ersten Gang heruntergeschaltet werden.

Traumhaftes Bergpanorama
 © tfpelmarw
Vergrößern
Traumhaftes Bergpanorama
Die Strasse zu Teneriffas mächtigem Vulkan Teide ist im Vergleich dazu fast schon so komfortabel wie eine Autobahn. Von den Bananenplantagen im Westen her kommend fährt man durch eine idyllische Landschaft voller Trockenheit liebender, sogenannter sukkulenter Pflanzen und Nadelwälder hindurch.
 
Bald verschwindet die blaue Wasseroberfläche des Atlantischen Ozeans unter einer dicken weissen Wolkendecke. Dann, wenn Zedern und Kiefern immer spärlicher werden, ist man fast am Ziel.
 
Nach der Durchquerung der Schranke an der Einfahrt zum Observatorium sind es noch knapp zwei Kilometer bis zur 2.400 hohen Spitze des „Roque de los Muchachos“.  Allerdings ist das Gelände nur von 7.00 bis 20.00 Uhr geöffnet, wie das Schild an der Zufahrt verkündet. Der Weg zur Spitze führt an Gebäuden und Einrichtungen vorbei, die für Gipfelstürmer ohne vorherige Anmeldung gesperrt sind.
 
Felsen gleichen einer Jugend-Clique
 
Am Ende der Strasse befindet sich ein kleiner Parkplatz mit einer Touristeninformation, die mit zwei Mitarbeitern besetzt ist. Der Ursprung des Namens „Roque de los Muchachos“, auf Deutsch etwa „Felsen der Burschen“,  ist schnell geklärt: Der Besucher wird von einer Gruppe kleiner Felsen begrüsst, die wie eine Clique Jugendlicher am  Samstagabend vor einer Diskothek wirkt. 
 
Die Aussicht vom Gipfel ist traumhaft: Man kann La Palma in allen Himmelsrichtungen überblicken. Wie sich bei der Herfahrt bereits andeutete, ist die Berglandschaft im Inselinneren in den höheren Lagen La Palmas äußerst karg. Auf den benachbarten Bergen gibt es kaum Vegetation. Dafür sind in der Ferne die Silhouetten von La Gomera und Teneriffa schemenhaft zu erkennen. Die Nachbarinseln sind rund hundert Kilometer entfernt, doch sie wirken in der luftigen Höhe zum Greifen nah. 

Das Teleskop MAGIC  wurde in Zusammenarbeit mit deutschen Firmen errichtet
 © tfpelmarw
Vergrößern
Das Teleskop MAGIC wurde in Zusammenarbeit mit deutschen Firmen errichtet
Manch einer fragt sich, ob es tatsächlich diese beiden Inseln sind und nicht etwa La Gomera und El Hierro, denn von hier wirkt die langgezogene Insel Teneriffa erheblich schmaler als ihr kleiner Nachbar im Westen. Hinzukommt, dass an diesem Tag der Gipfel des Teide durch eine dünne Wolkenschicht verdeckt ist. Als auch ein Blick auf die Karte der Touristeninformation nichts nützt, helfen die Mitarbeiter des Büros bei der Klärung dieses Streitpunktes weiter: Es handelt sich tatsächlich um Teneriffa und La Gomera, denn El Hierro ist an diesem Tag im Wolkendunst verschwunden.
 
Das größte Teleskop der Welt
 
Nach dem Erklimmen des Gipfels rücken auf dem Rückweg die Bauten  und Einrichtungen des Observatoriums verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Es gibt mehrere große runde Landeplätze am Strassenrand. Das große „H“ im Zentrum der gelben Kreise auf den Betonplätzen macht klar, dass sie für Hubschrauber und nicht für Unbekannte Flugobjekte (UFO) bestimmt sind.  
 
Der Weg führt vorbei an terrassenförmig angeordneten Teleskopen, die vom Aussichtspunkt aus wie riesige glänzende Silberkugeln erschienen. In ihnen verbergen sich Mega-Fernrohre aus verschiedenen Jahrzehnten zum Zwecke  der Himmelsbeobachtung. Das neuste Wunderwerk der Technik ist das „Gran Telescopio de Canarias“, kurz auch „Grantecan“ genannt. Neben ihm steht immer noch ein riesiger Baukran.
 
Das Teleskop soll im Jahre 2007 in Betrieb genommen werden. Es geistert bereits seit mehreren Jahren durch die kanarische Lokalpresse, denn es soll das größte und leistungsstärkste Fernrohr, wenn schon nicht des Universums so doch des Planeten Erde sein. 
 
Das sich seine Fertigstellung bereits um mehr als zwölf Monaten verzögert hat, ist für die Astronomen allerdings kein Beinbruch, denn  „Komplikationen bei einem derart komplizierten und einzigartigen Projekt“ sind „normal“.  Außerdem „ist es so gut wie ausgeschlossen, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren“ irgendwo anders auf der Welt ein noch größeres Fernrohr für Sterngucker aufgebaut wird. 

 Das größte Teleskop der Welt steht auf dem Dach von La Palma
 © tfpelmarw
Vergrößern
Das größte Teleskop der Welt steht auf dem Dach von La Palma
Das „Grantecan“ ist übrigens ein internationales Joint Venture, an dem neben den federführenden Spaniern auch Mexikaner und der US-Bundesstaat Florida beteiligt sind. An der Entwicklung  haben sogar Fachleute aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland  mitgewirkt. Das Teleskop, dessen Spiegel einen Durchmesser von 10 Metern hat, soll zur Beobachtung sehr kleiner und weit entfernter Himmelskörper dienen. Aber auch die anderen Teleskope sind nicht ohne. Auch hier waren häufig deutsche Unternehmen und Institute an der Entwicklung beteiligt. 
 
Deutsches Knowhow auf La Palmas Gipfel
 
Dazu zählt das dreissig Meter hohe und vierzig Tonnen schwere MAGIC-Teleskop, das im Jahre 2003 eingeweiht wurde. Es verfügt über eine 220 Quadratmeter grosse Spiegelfläche, die aus 1000 fünfzig  mal fünfzig Zentimeter großen Facettenspiegeln mit einer aus Diamanten gedrehten Aluminiumfrontplatte besteht. Angesichts der niedrigen winterlichen Temperaturen in den kanarischen Hochlagen hat jeder Spiegel eine eingebaute Heizung. Aus Gründen der Stabilisierung weist er zudem eine Honigwabenstruktur auf.

Der Spiegelträger aus Kohlefaserrohren hat einen Durchmesser von 17 Metern und erlaubt eine schnelle Positionierung des Teleskops nach der Benachrichtigung durch Beobachtungssatelliten. Der Beobachtungsposten ist außerdem mit einer Spezialkamera ausgerüstet, die über optische Sensoren und Photo-Vervielfacher mit hoher Quanteneffizienz verfügt. MAGIC wurde zur Erforschung von schwarzen Löchern, Pulsaren, der Herkunft kosmischer Strahlungen, der Natur der Kleinmaterie sowie der Ursachen der Gammastrahlungsblitze konstruiert.

Das mag alles klingen wie eine Passage aus einem Science Fiction Roman, ist aber  auf den Kanaren wissenschaftliche Wirklichkeit. Kein Wunder:  Das Obversatorium liegt auf einem hohen Berg auf einer abgelegegen Inselgruppe. Hier sind die Luftverschmutzung und die von den besiedelten Gebieten ausgehende Nachthelligkeit sehr gering ist.  La Palma war die erste kanarische Insel, auf der das Aufstellen nach oben abstrahlender Strassenlaternen gesetzlich verboten wurde.