Bioklimatische Häuser: Zukunft des BauensWohn-Biotop mit Vorbildcharakter | | © tenpan | | Entwurf "La Vela": Bewusst inszenierter Gegensatz als Stilmittel | 01.04.2010 - Teneriffa - Fünfzehn Jahre hat es gedauert und jetzt sind sie fertig: Die Häuser des Forschungsprojektes “25 Viviendas Bioclímaticas para la isla Tenerife” an der Südküste der Insel: Eine abgedrehte Wohnanlage mit Modellcharakter die eine emissionsfreie Selbstversorgung und mit stilvollem “Schöner Wohnen”-Ambiente kombiniert. Ein Wohn-Biotop in Form eines direkt am Meer gelegenen Dorfes, bei dem planerische Finessen erprobt wurden, die in den gewöhnlichen Haus- und Wohnungsbau einfliessen sollen.
| | © tenpan | | Gelebte Selbstversorgung: Photovoltaik-Platten als Gestaltungselement | Das Institut für Erneuerbare Energien (ITER) in Teneriffas Gemeinde Granadilla erforscht die Anwendungsmöglichkeiten nicht fossiler Energien. Sichtbares Zeichen dafür sind die riesigen Räder der Windkraftwerke oberhalb des an der Südküste gelegenen Institutsgeländes. Die Vorrausetzungen für den Einsatz und die Erprobung von Regenerativen Energien in dieser heissen und kargen Region sind ideal: 340 Sonnentage pro Jahr. Der Wind bläst unaufhörlich. Davon zeugen nicht nur die riesigen Windräder; quasi “um die Ecke”, im nahen El Médano, befindet sich ein bekanntes Windsurfparadies, das auch den Meistern des Faches das ganze Können abfordert. Neben abstrakter Forschung setzen die Verantwortlichen der ITER auch auf Technik “zum Anfassen”.
| | © tenpan | | Zwischen Galerie und Filmkulisse |
Ausdruck dessen ist das alljährlich veranstaltete Pop- und Kultur-Festival “ÉOLICA”. Für den Anwender von modernen Energien im Wohnbereich spielen wissenschaftlich-technische Fragestellungen eine eher untergeordnete Rolle. Darum wurde ein Architekturwettbewerb für eine Modellsiedlung ausgeschrieben. Das Ergebnis waren Entwürfe, die Lösungen für den unmittelbaren Lebensraum des Menschen veranschaulichen, bei denen sowohl die technischen als auch die gestalterischen Aspekte zusammenfliessen. Design-Spielwiese mit sparsamen Energieverbrauch Als Basis dienten technische Vorgaben, die unter anderem einen minimalen Energie- und Wasserverbrauch sowie die Selbstversorgung im Bereich Energie und die Nutzung ausschliesslich ökologisch einwandfreier Baustoffe festschrieben. 397 Vorschläge aus 38 Ländern wurden eingereicht.
| | © tenpan | | Siegreicher Stern: Gewinner "La Estrella" |
Fünfzwanzig von ihnen kamen in die engere Auswahl und wurden auf dem ITER-Terrain realisiert. Der Wettbewerbsgewinner durfte zusätzlich das Besucherzentrum des Instituts errichten. Den Architekten kam es vor allem darauf an, die Häuser in einen Bezug zur Landschaft zusetzen und sowohl durch die Gestaltung als auch die Wahl der verwendten Materialien angenehme Wohnbereiche mit geringem Energieverbrauch zu schaffen.
| | © tenpan | | Schwebender Übergang zwischen "Innen" und "Aussen" |
Dabei spielte die Nord-Südausrichtung der Gebäude genauso eine Rolle wie die Grösse, Zusammensetzung und Form der Fensterflächen um beispielsweise den optimalen Lichteinfall und eine bestmögliche Durchlüftung zu garantieren. Zahlreiche Gebäude wurden höhlenähnlich in den Abhang des leicht abfallenden Geländes integriert, um den Speichereffekt des Bodens für die Regulierung des Raumklimas zu nutzen und ihn in Form von Abwärme und zur Kühlung in den Wärmekreislauf des Hauses einzubauen. Nutzung von Synergien Wichtige Komponenten bei der Schaffung eines angenehmen Wohnumfeldes waren auch die Form und Aufteilung des Grundrisses.
| | © tpew | | Das Bioklima-Dorf der ITER: Der Mensch als Massstab |
Bei der Zusammenstellung der Raumprogramme wurde auf das Wechselspiel von Lichteinfall und kühlen Schatten sowie die Dimensionierung und der Übergang von Wohn- und Freiflächen besonders geachtet. Eine weitere gestalterische Herausforderung stellte die Integration – oder in manchen Fällen auch die gestalterische Nutzung - von technischen Elementen, etwa Photovoltaik-Platten, dar. Zusätzlich sollte eine identitätsstiftenden Unverwechselbarkeit des einzelnen Hauses durch die Wahl von Form und Fassade und sowie die Postionierung des Baukörpers in der Umgebung erreicht werden.
| | © tenpan | | Innovative Wohnraum-Konzepte versprühen Weite |
Dabei wurde bei den in den Abhang integrierten Häuser in der Regel die Anpassung des Objektes an die Umgebung betont, während die senkrecht emporragenden Gebäuden in vielen Fällen einen Kontrast zu den grün-bräunchlichen Farben und den organischen Formen des landschaftlichen Umfeldes bilden, das von einer Kargheit geprägt ist, in der nur sehr bedürfnislose und widerstandsfähige Pflanzen, etwa die inseltypischen Tabaiba- oder Cardón-Sträucher, gedeihen. Insgesamt strahlen alle umgesetzten Entwürfe eine Grosszügigkeit und lockere Beschwingtheit aus. Sie wirken zum Teil wie eine Filmkulisse für einen futuristisch angehaucht stilvollen Öko-Thriller oder versprühen die strenge sparsame Eleganz einer Kunstgalerie. Pilotprojekt-Charakter Natürlich: Die auf dem ITER-Gelände realisierten Projekte können nur in den seltensten Fällen anderswo in der gleichen Form umgesetzt werden.
| | © tenpan | | Die Süd-Ausrichtung fördert den Lichteinfall |
Sei es, weil es keine geeigneten Abhänge für den Bau dieser nicht gerade billigen Immobilien gibt, oder der Entwurf zu sehr auf die Einmaligkeit des Hauses hin angelegt ist. Eine aus schwarzen Photovoltaik-Platten bestehende Fasasade im Reihenhausbau wäre in der Tat äusserst gewöhnungsbedürftig, auch wenn sich hinter ihr ein einzigartiger Wohnkomfort verbergen sollte. Trotz aller Experimentierfreudigkeit war das Kernziel des Wettbewerbs nicht die Schaffung möglichst innovativ-extravaganter Wohnkonzepte; im Vordergrund stand die Gewinnung von Erkenntnissen für die Machbarkeit und die Erarbeitung von praktischen Lösungen bei der Umsetzung von Energiesparkonzepten und beim Einsatz Regenerativer Energien im Bauwesen. Langzeitprojekt zur Datenerfassung Das Projekt der Bioklimatischen Häuser ist ein langfristig angelegtes wissenschafttliches Experiment, bei dem zahlreiche Parameter über längere Zeiträume per “Montoring” gemessen wurden. In unterschiedlichen Höhen angebrachte Sensoren in verschiedenen Teilen jedes einzelnen Hauses überwachten die auf das Gebäude einwirkenden äusseren Einflüsse und ihre Auswirkungen auf das Raumklima. Gemessen wurden unter anderem: Windart, - richtung und –geschwindigkeit sowie Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Zusätzlich wurden die Daten der Durchlüftung und die Temperaturschwankungen ermittelt. Entwicklungsland in Sachen Energieversorgung Trotz dieses Vorzeige-Projektes ist auf dem Energie-Sektor der Kanarischen Inseln vieles verbesserungswürdig.
| | © tenpan | | Symbolik als Stilmittel: Treppe über künstlichem Teich |
Auch wenn die ITER, und damit Teneriffa, seit kurzem damit renommieren kann, Standort von drei der weltgrössten Solaranlagen zu sein, so ist vom Einsatz Regenerativer Energie im Alltag wenig zu spüren. Immer häufigere Stromausfälle mit veralteten Kraftwerk Las Caletillas in Candelaria sind sichbares Zeichen eines veralteten Engergieversorgungsnetzes. Ein grosses Problem für die Einspeisung weiterer Energiemengen, zu denen auch zusätzlich produzierter Solarstrom gehört, sind unzureichende Stromleitungen, die schon jetzt dem benötigten Bedarf einer ständig wachsenden Bevölkerung kaum standhalten. Hinzu kommen bürokratische Hürden, da für die Realisierung von Projekten zahlreiche Genehmigungen verschiedener Verwaltungsebenen benötigt werden was sehr zeitaufwendig ist. Hinzukommt inzwischen der erbitterte Konkurrenzkampf den Anbietern auf dem Sektor der Erneuebaren Energien, wo immer öfter die Gerichte das letzte Wort haben. Energieversorgung: Abstimmungsprobleme Auch Spanien sieht sich Bereich des Solar-Stroms der Gefahr von Überkapazitäten gegenüber, für die es aufgrund (noch) fehlender Abnahmemöglichkeiten derzeit.
| | © tenpan | | Schattige Sitzecke mit Mauer, in den Abhang integriert |
So wurden bereits die Margen für bei der Abnahme von Photovoltaik-Strom gekürzt, um Anbieter, die auf schnellen Gewinn aus sind, zu bremsen und einem Hand in Hand gehenden Ausbau von Produktionsanlagen und die für Transport und Speicherung notwendigen Installationen zu ermöglichen. Auch die Anbieter fossiler Energien wollen weiter im Geschäft bleiben. So wurde kürzlich im kanarischen Regionalparlament der Beschluss gefasst, das marode Kraftwerk Las Caletillas zu modernisieren, obwohl der Bürgermeister zuständigen Gemeinde Candelaria seit Jahren dafür kämpft, die Hauptenergiezentrale der Insel an einen anderen Standort zu verlagern, um die Küste des Ortes touristisch nutzen zu können.
| | © tenpan | | Der Name ist Programm "Vivienda Noche y Día" |
Ein angedachtes Kraftwerk für Bioenergie liegt derzeit auf Eis, da es Bestandteil des derzeit per Gerichtsbeschluss gestoppten Hafenprojektes Granadilla ist, für dessen Realisierung eine schützenswerte Seegraspopulation geopfert werden müsste. Dummerweise ist es aber auch so, dass aufgrund des Anstiegs der Bevölkerung und der stark gestiegenen Zahl der Kraftfahrzeuge der Ausstoss der CO 2-Emmossionen auf den Kanarischen Inseln in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten um über achtzig Prozent gestiegen ist. Derzeit kommt ein Krafftfahrzeug auf 1,7 Einwohner. Erweiterung der wirtschaftlichen Standbeine Die Bioklimatischen Häuser sind auch ein Ausdruck dafür, dass Teneriffa, wo noch vor wenigen Jahrzehnten die Landwirtschaft der grösste Wirtschaftsfaktor war, nach weiteren wirtschaftlichen Standbeinen neben dem Fremdenverkehr sucht.
| | © tenpan | | Bauliches Detail eines Innenhofs |
Dabei spielen sowohl Wissenschaft und Zukunftstechnologie als auch die Positionierung der Insel als Logistkzentrum zwischen den Kontinenten Europa, Asien und Afrika im Rahmen des Projektes NAP eine wichtige Rolle. So zeigt derzeit die Regerierung des Senegal an den Bioklimatischen Häusern grosses Interesse, da es in dem afrikanischen Land gute Vorraussetzungen für die Herstellung der benötigten Baustoffe gibt. Hinzu kommt, dass der Senegal bei der Energieversorgung in Zukunft verstärkt auf Biomasse und Erneuerbare Energien setzen will und derzeit Fachkräfte für diesen Bereich ausbildet. Das aus ökologischen Werkstoffen gebaute Dorf auf dem ITER-Gelände kann im Rahmen geführter Touren besichtigt werden. Die einzelnen Häuser werden auch vermietet. Weitere Informationen: www.iter.org. Weitere Artikel auf www.teneriffa-panorama.es zu den Themen ITER, Klima und Forschung in der Rubrik WISSENSCHAFT in der Menue-Leiste.
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